Es ist eine Methode, die in den 60er Jahren in Südamerika von Rolando Toro (Anthropologe, Psychologe, Dichter und Maler) entwickelt wurde. Bios (altgriechisch) – das Leben und Danza (spanisch) – der Tanz im Sinne von natürlicher Bewegung. Tanze Dein Leben.
Getanzt wird zu ausgewählter Musik aus ganz verschiedenen Stilrichtungen (Musik aus Südamerika, Popmusik, klassische Musik, …). Eine Vivencia (Erlebniseinheit) dauert 2 Stunden. Die einzelnen Tänze sind angeleitet. Es werden keine Schritte vermittelt. Biodanza ist nicht leistungsorientiert. Es sind keine Vorkenntnisse erforderlich.
Biodanza eignet sich für Menschen, die gerne tanzen und auch Freude an der Begegnung mit anderen Menschen haben. Ziel ist die Steigerung der Lebensfreude.
Es gibt ein sehr schönes Buch, geschrieben von Rolando Toro, mit dem Titel: Das System Biodanza. Es ist 2010 im Tinto Verlag erschienen. Aus diesem Buch habe ich alle nachfolgenden Sätze wörtlich übernommen. So kannst Du Dir einen Eindruck verschaffen, wie Biodanza verstanden wird und was es erreichen will.
Der zweite Weltkrieg hatte gezeigt, dass der Mensch ein unbegreifliches Ausmaß an Perversität erreichen kann; der Holocaust von Millionen von Menschen unter der Naziherrschaft und die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki hatten offenbart, wie weit die Entwürdigung des Menschengeschlechts gehen konnte. Die Krise der westlichen Welt war offensichtlich.
Auf der anderen Seite hatte ich in einer zugleich geheimnisvollen und wunderbaren Dimension der Welt Erfahrungen von Liebe und Ekstase erlebt….Ich wollte die Quelle der „ursprünglichen Liebe“ finden….ich glaube, dass Liebe auch eine körperliche, aktive Dimension der Zärtlichkeit umfassen muss.
In meinem Körper spürte ich bisweilen alle Anzeichen von Ekstase, Erotik, Brüderlichkeit, schöpferischer Energie und vitalem Antrieb. Ich spürte die Möglichkeit durch Bewegung, Gesten und den Ausdruck der Gefühle mit der lebendigen Wirklichkeit in einen reinen Kontakt zu kommen. Musik war die universelle Sprache, die einzige, die alle Menschen … dieser Welt verstehen konnten. Tanz war die ideale Form um Körper und Seele zu integrieren. Zugleich vermochte er, allen Teilnehmern Glück, Zärtlichkeit und Kraft zu schenken. All das wollte ich mit einer großen Zahl von Menschen teilen.
Ich habe eine Reihe von Tänzen und Übungen entwickelt, indem ich von natürlichen menschlichen Gesten ausging. Sie haben genau festgelegte Ziele und sind darauf angelegt, Vitalität, Kreativität, Erotik, affektive Kommunikation untereinander sowie ein Zugehörigkeitsgefühl zum Universum zu fördern.
Biodanza ist somit ein Verstoß gegen heutige kulturelle Werte, gegen die Entfremdungszwänge einer Konsumgesellschaft sowie gegen totalitäre Ideologien. Biodanza geht es darum, den Menschen wieder mit der Spezies als biologisches Ganzes und mit dem Universum als kosmischer Gesamtheit zu verbinden. Der gesunde Weg besteht darin, die Gegenwart eines anderen Menschen zu feiern und sie im unerlässlichen Zauber der Begegnung zu preisen. Biodanza ist damit Teil einer neuen Sichtweise. Die Methode lädt dazu ein, sich auf die Suche nach einem neuen Lebensstil zu machen. Sie weckt unsere eingeschlafene Empfindsamkeit. Für ein besseres Leben brauchen wir ein Gefühl von Intimität, genussvoller Verbundenheit und stimulierender Anmut.
Biodanza ist ein System zur menschlichen Integration, zur organischen Erneuerung, zum affektiven Umlernen und zum Wiedererlernen ursprünglicher Lebensfunktionen. Die Methode zeichnet sich dadurch aus, mittels Musik, Gesang, Bewegung und Begegnungssituationen in der Gruppe integrierende Erlebnisse auszulösen.
Musik ist eine universelle Sprache und übernimmt in Biodanza die wesentliche Funktion.
Biodanza kann nicht alleine praktiziert werden, wirkungsvoll ist die Methode innerhalb einer affektiv integrierten Gruppe, die unterschiedliche Kommunikationsmöglichkeiten bietet und während der Erlebnisse für die Teilnehmer als affektiver und schützender Rahmen fungiert.
Das System Biodanza steht allen Menschen offen: der Begriff „offenes System“ impliziert Bindungsformen mit der Außenwelt, die sich dadurch auszeichnen, Verschiedenartigkeit zu tolerieren. Es wendet sich an die Menschheit als solche ohne Diskriminierung auf Grund von Rasse, Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand, Kultur, Bildung oder finanzieller Mittel.
In Biodanza vollzieht sich der Integrationsprozess durch Anregung der ursprünglichen Fähigkeit, sich mit dem Leben zu verbinden. Sie ermöglicht jedem Individuum, mit sich selbst eins zu werden und sich in die Spezies und das Universum zu integrieren.
Verbindung mit sich selbst (Integration bzw. Einswerdung) besteht im Wiedererlangen der psychophysischen Einheit.
Verbindung mit dem Mitmenschen (Integration in die Spezies) besteht in der Wiederherstellung einer ursprünglichen Verbindung mit der Spezies als biologischer Totalität.
Verbindung mit dem Universum (Integration in das Universum) besteht im Wiedererlangen einer ursprünglichen Bindung, die Mensch und Natur vereint und in der der Mensch sich als Teil eines größeren Ganzen, als Teil des Kosmos erfährt.
In jeder Zelle unseres Körpers befindet sich die Gesamtheit unseres genetischen Potentials. Die Entfaltung dieser Potentiale wird durch den Kontakt mit der Umwelt erleichtert oder erschwert. Ökofaktoren gelten als positiv, wenn sie den Ausdruck genetischer Potentiale fördern, und als negativ, wenn sie ihn hemmen.
Biodanza schafft einen Raum voller positiver Ökofaktoren. Das ermöglicht die Stimulation und Entfaltung der genetischen Potentiale des Menschen.
Die genetischen Potentiale können also als sehr festgelegt und stabil betrachtet werden. Ihre Entfaltung hängt von den im Organismus und der Außenwelt vorgefundenen Bedingungen ab. Es ist bewiesen, dass sich im Leben einige Gene früher und andere später ausprägen. Darum ist es wichtig, die genetische Entwicklung ein Leben lang zu stimulieren.
Der Mensch ist biologisch unvollendet, eben weil er erstaunlich viele Entwicklungsmöglichkeiten besitzt.
Die genetischen Potentiale entfalten sich sowohl in Form organischer Strukturen und Vitalfunktionen als auch in Form von Körperbau und Konstitution. Psychologisch werden sie in Erleben, Emotionen und Gefühlen sichtbar.
Das Erleben hat, was die psychologische Entfaltung der genetischen Potentiale und den Integrationsprozess der Identität betrifft, den Vorrang gegenüber dem Bewusstsein.
Die Vitalitätslinie entsteht aus einem Zusammenspiel der Funktionen, die für die Aufrechterhaltung der Homöostase verantwortlich sind. Zu ihr gehören die Instinkte von Selbsterhaltung, Hunger und Durst, Reaktionen wie Kampf oder Flucht und die Funktionen zur Regulierung von Aktivität und Ruhe.
Besonders wichtige Vitalitätsindikatoren:
-Ausdauer
-Vitalität der Bewegung
-neurovegetative Stabilität
-Stärke der Instinkte
-Ernährungszustand
Verschiedene äußerliche, leicht zu erkennende Merkmale vermitteln einen allgemeinen Eindruck der Vitalität: spontanes Lachen, Stärke der Instinkte, Beweglichkeit, Klang und Ausdruck der Stimme, Leuchtkraft und Intensität des Blickes, Harmonie und Kraft der Gesten.
Der Körper wird seit Jahrhunderten als Sklave des Geistes angesehen; diese Vorstellung muss hinterfragt werden. In Biodanza entdecken wir, dass der Körper freundlich und zärtlich ist, über eine wunderbare Harmonie verfügt, lustvoll und aus sich heraus schön ist.
Meiner Meinung nach steht aber dem Genuss gerade auch die Fixierung auf den Orgasmus wesentlich im Wege. Dem sexuellen Genuss das Feld zu bereiten, kann sich nicht darauf beschränken, die genitale Sensibilität zu trainieren. Auch die wachsende Fähigkeit, alltägliche Freuden zu genießen wie z.B. ein heißes Bad, ein gutes Essen, eine entspannende Massage, barfuß auf Gras oder am Strand im Sand gehen etc. gehört dazu. Dabei entsteht echter Genuss immer aus der Tiefe und aus der natürlichen Hinwendung zum Leben.
Teil des in Biodanza angeleiteten Lernprozesses ist es, empfindsamer zu werden und so in den Genuss zu finden. Am wichtigsten ist es zu lernen, sich an allen großen und kleinen Genüssen des Lebens zu erfreuen.
Der Erkundungstrieb und die Erneuerungsimpulse lebender Organismen sind Teil der Kreativitätslinie.
Die Zivilisation unterdrückt insgeheim die natürliche Kreativität. Im Grunde geht es darum, Menschen dazu zu ermutigen ihre Früchte in die Welt zu bringen anstatt sie daran zu hindern. Mein Ansatz besteht darin, den Ausdruck natürlicher kreativer Impulse zu erlauben. Schöpfung, Sexualität und Selbsttranszendenz erweitern den Lebensprozess.
Die biologische Entstehung der Affektivitätslinie geht zurück auf den Solidaritätsinstinkt innerhalb einer Spezies; dazu zählen Herdentrieb, altruistische Neigungen und Verbindungsrituale. Wenn ich von Affektivität spreche, meine ich damit eine tiefe Resonanz anderen Menschen gegenüber, die zu Gefühlen von Liebe, Freundschaft, Altruismus, Mütterlichkeit, Väterlichkeit und Solidarität führen kann. Zweifellos sind jedoch auch entgegengesetzte Gefühle wie Wut, Eifersucht, Unsicherheit und Neid Teil dieses komplexen Phänomens.
Fasts Forschungen zeigen, dass die Gegenwart eines Menschen bei einem anderen Menschen zu Anspannung oder Entspannung führt. Tomographische Untersuchungen bei Paaren haben ergeben, dass Küsse, Streicheln oder der sexuelle Akt sich auf sämtliche neurophysiologische Ebenen auswirken.
Menschen sind Empfangs- und Sendungsorgane von Affektivität. Dieses Phänomen läuft normalerweise unbewusst ab. Das ist auch der Grund dafür, dass Menschen lieben, ohne zu wissen warum. Dieser eigentliche Lebensvollzug, das Eingehen von Bindungen, ist nichts anderes als der unsichere Gang auf dem langen Weg der Liebe.
Bei der Transzendenz in Biodanza geht es darum, die Stärke des eigenen Ichs zu überwinden, um über die Selbstwahrnehmung hinauszugehen und sich mit der Natur als Ganzes und der Essenz anderer Menschen identifizieren zu können.
Die Erfahrung, sicher zu wissen, dass wir keine isolierten Wesen sind, sondern an der nach Einheit strebenden Bewegung des Kosmos teilhaben, reicht aus, unsere Werteskala zu verschieben. Diese Wissen ist dabei nicht intellektuell, sondern ergreifend und transzendent.
Die Möglichkeit, einen höheren Bewusstseinszustand zu erreichen, der es erlaubt, sich von entfremdenden mentalen und emotionalen Gewohnheiten zu befreien, ist selten in unserer Kultur, in der die Menschen zwanghaft sind, unterdrückt von Gleichmacherei, tyrannisiert von der Mechanisierung und krank von den zu ertragenden Spannungen.